Es ist von meinem Standpunkt aus betrachtet so: Nicht nur die bösen Jungs machen sich unsichtbar und verwischen ihre Spuren. Dafür gibt es etliche Gründe mehr, die bei weitem um ein vielfaches bedeutender und weit häufiger anzutreffen sind, als "ich bin ein böser Bube und möchte nicht entdeckt werden". An aller erster Stelle schonmal die Privatsphäre. Ich persönlich möchte nicht, dass jemand meine Post liest oder meine Pakete öffnet und rein schaut bevor sie bei mir ankommen. Bei unverschlüsseltem Nachrichtenverkehr (Surfen, Chats, E-Mails, ...) passiert aber genau das bzw. kann es passieren, wenn jemand wirklich mal böser Bube spielt und den Traffic mitschneidet. E-Mails haben daher eher einen Postkarten-Charakter als den eines Briefes und für das normale Surfverhalten und die Chats und was man noch alles anstellen kann, gilt das gleiche. Ich glaube eher nicht, dass jemand freiwillig will, dass man alles, was er am Tag gemacht oder nicht gemacht hat, für jede einzelne Sekunde protokolliert nachverfolgbar haben möchte, also dass man quasi seine Briefe liest. Das heißt, hier versuche ich natürlich so wenig Daten preis zu geben, wie ich kann und selbst die Daten, die ich preis gebe oder geben muss, die kann ich ja dennoch verschleiern, z.B. über verschlüsselte Kommunikation. Dann weiß ich, was ich von mir preis gegeben habe und der einzige, der diese Daten erhalten hat, war der Dienst, den ich genutzt habe. Sonst geht diese Kommunikation auch niemand anderes was an.
Während das Surfverhalten eines "Normalos" eher die Datenkracke und Werbeindustrie zu interessieren vermag, ist es aber so, dass nicht nur unnützer Müll im Netz unterwegs ist, sondern durchaus auch Dokumente oder Informationen, die etwas brisanter sind oder einer gewissen Geheimhaltung unterliegen. Das muss nicht unbedingt Mitarbeiter eines Unternehmens betreffen, es kann auch Privatpersonen betreffen. Auch diese können sich über Dinge austauschen, die für die Allgemeinheit oder Menschheit vielleicht eher uninteressant sind, aber für gewissen Leute (Dritte, die nicht direkt an der Kommunikation beteiligt sind), die das interessieren könnte, was man unter Umständen auch nicht möchte.
Wenn man weiter geht und noch die Hardware mit einschließt, z.B. Smartphones, Tablets, Notebooks, etc., dann will natürlich auch niemand, dass bei einem Verlust dieser Hardware Dritte die darauf befindlichen Informationen einsehen können, ganz egal, wie unwichtig diese Daten vielleicht sein mögen. Das Problem ist oft nicht die Hardware an sich und je nach objektiver Betrachtung/Einstufung der Daten auch nicht unbedingt die Daten, aber man fühlt sich irgendwie unwohl und in seiner Privatsphäre gestört. Leute, die tatsächlich ausgeraubt wurden, berichten häufig von diesem Unwohlsein und das sogar viele Jahre nach dem Einbruch und die Wertgegenstände an sich spielen dabei oft nur eine nebensächliche Rolle. Das betrifft nicht nur materielle Dinge, sondern eben auch digitale Daten. Und je wichtiger diese Daten sind, z.B. auf einem Firmen-Notebook, desto schlimmer wird die ganze Sache dann sogar, vielleicht nicht unbedingt persönlich, aber eben für den Betrieb.
Die Regierungen und Behörden versuchen immer wieder dieses Argument "Wer nichts zu verbergen hat ..." als Begründung durchzubringen, um Spionageaktionen, Rausgabe von Passwörtern, Verabschiedung von verschiedenen Gesetzen, usw. durch zu bekommen und den Leuten damit Angst zu machen. Dabei hat das eine mit dem anderen rein gar nichts zu tun. Jeder hat ein Recht auf Privatsphäre, sowohl realer als auch digitaler Natur, und jeder hat ein Recht darauf selbst bestimmen zu können, wie viel die Welt von ihm mitbekommen darf und soll. Einige Dinge sind klar geregelt, wie das Einwohnermeldeamt und sowas, aber vieles liegt eben in der Hand des Einzelnen und da sollte man sich auch nicht von einschüchtern lassen.
Man könnte das Ganze natürlich ewig weiter spinnen. Ich für meinen Teil denke, jeder muss sich einer Tatsache bewusst sein. Je mehr Komfort ich möchte, desto höher ist auch der Preis, den ich oft dafür bezahle. Gerade Daten sind heute mehr Wert als Gold, und das betrifft jetzt nur den finanziellen Stellenwert. Den persönlichen und psychischen kann man mit keinem Geld der Welt aufwiegen und da sollte sich jeder selbst fragen, wie weit er bereit ist zu gehen. Und viel schlimmer wird diese Tatsache, wenn man bedenkt, dass obwohl es das Internet schon eine gefühlte Ewigkeit gibt, das Internetrecht jedoch in den Kinderschuhen steckt und die Datensammler im Moment nahezu alles machen können, was sie wollen und man sich oft gar nicht dagegen wehren und nur zuschauen kann. Während es in Deutschland noch recht gut aussieht, ist es in anderen Ländern, etwa den USA, ganz anders und sowas wie Datenschutz nicht mehr als ein Gerücht.
Ich persönlich nutze keine Proxys, kein Tor, mein System ist nicht verschlüsselt und ich habe hier und da Accounts, auf die ich auch verzichten könnte. Eine Vollverschlüsselung hatte ich mit der HDD und die Perfromance war nicht tragbar, denn mein i3 hat keinerlei Erweiterungen, die beim Verschlüsseln helfen. Jetzt mit der SSD wäre es vielleicht besser, hab ich noch nicht probiert. Aber dafür verschlüssel ich meine Mails, wichtige Dateien, alles, was ich in die Clouds schicke oder auf dem USB-Stick trage. Statt Google kann man auch Alternativen wie DuckDuckGo oder Startpage benutzen, die Google zur Suche nutzen, aber keine Meta-Informationen weiterleiten. Alternativ könnte man auch seine eigene Suche mit YaCy einrichten, auf einem Raspberry Pi z.B. Tor und Proxys bringen mir auch nichts, die DSL6000 Leitung ist auch so schon lahm genug, über Tor ist das keineswegs vertretbar für mich. Insofern muss ich sagen, ich könnte einiges besser machen, aber so habe ich für mich einen Kompromiss gefunden, mit dem ich gut leben kann. Ein bisschen Komfort will ich auch haben, ich gucke z.B. gerne auf YouTube Videos und bilde mich dadurch sehr viel weiter, da bringt Tor und Co eh nichts. Und von Unterwegs klingel ich dann lieber via VPN oder SSH bei meinem Pi zu Hause und bau so eben einen Tunnel auf und mache darüber meinen Kram.
Man muss ja auch nicht gleich alles verschlüsseln oder über Proxys schicken. Beim normalen Surfen reicht es oft schon, wenn man nicht auf jedem Portal einen Account anlegt und zumindest Drittanbietercookies blockiert, besser aber alle, vielleicht noch JavaScript nur da zulassen, wo man es auch braucht (Stichwort NoScript), Adblocker wären auch gut und natürlich nicht jeden Mist in die Cloud schicken (Besonders schlimm ist dieses Cloud-Gehype, wenn Leute, die Sicherheit toll und cool finden, vielleicht sogar Informatik studieren oder einen Beruf in der Richtung ausüben, aber dann Smartphones, Notebooks, PCs, TVs und was weiß ich was alles über mehrere verschiedene Clouds verbinden, alles unverschlüsselt lassen und da schön ihre Doktorarbeiten oder Firmendokumente ablegen und vielleicht noch so Sachen bringen wie den Kontostand im Internet-Café mit offenem W-LAN checkt. Top!!). Wer dann noch mehr Sicherheit haben will, macht sich eben mit Verschlüsselung, Tunneln, VPN, etc. vertraut und versucht diese Dinge für sich sinnvoll zu nutzen.
Sicherheitsfanatiker werden das natürlich anders sehen und viel radikaler an die Sache rangehen. Aber mal ehrlich, wer hat schon die Zeit und Lust sich jeden Tag den halben Tag lang mit Sicherheit rumzuschlagen und alles übertrieben abzusichern und bombensicher zu machen und das vor allem, wo das Ergebnis in keinem Verhältnis zum Aufwand steht, etwa für eine Suchanfrage, die über 100 Proxys geschickt wurde, auf deren Antwort man gut 5 Minuten warten musste, alles verschlüsselt und signiert wurde, nur um herauszufinden, welche Bewertungen ein USB-Stick hat oder sowas ... Bei sowas kann man auch gleich Google benutzen oder wer es etwas anonymer haben will, auch DuckDuckGo oder von mir aus YaCy, aber das wars dann auch. Alles andere ist sinnfrei. So toll Geheimhaltung, Verschleierung, Verschlüsselung, usw. auch sein mögen, und ich bin da wirklich ein Befürworter für, aber bitte immer noch das Hirn einschalten und auch den Aufwand in Bezug auf das Ergebnis berücksichtigen.
Nicht einmal Linus Torvalds nimmt Patches von Sicherheitsfanatikern an, weil die oft andere Systeme im Kernel aushebeln oder gar zerstören und zudem der Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen steht. Sicherheit ist wichtig, aber nicht alles.
Soweit zu meinem Standpunkt.