Ich werde in den sauren Apfel beißen und beim letzten Stand mit Ardour und Jack vorfahren.
Vielleicht als kleiner Trost: so sauer ist der Apfel nicht 😉. Das Gefriemel mit Audacity und Umfeld kommt mir schwerer beherrschbar vor.
Alors...
Wenn Ardour einen Eingangspegel sieht, muss es doch auch in diesem Programm was einzustellen geben, damit das dann auch aufgezeichnet wird.
...vorab: Deine Frage macht mich darauf aufmerksam, daß der Ardour-Wikiartikel da womöglich doch noch eine Erläuterung braucht, um die Verhältnisse im Inneren des Programms auch für Tonstudio-Laien klarer zu machen.
Der Unterschied Ardour/JACK - Audacity ist so ähnlich wie der zwischen einer klassischen Einzelbaustein-HiFi-Anlage mit vielen Strippen und einer Plastik-Kompaktanlage, die man im Medien-Großmarkt verschachert bekommt: Letztere funktioniert irgendwie, aber man kann weder durch- noch reinblicken. Die Einzelbaustein-Anlage dagegen verlangt zwar etwas Hineindenken, aber dafür ist man dann auch souveräner, wird als denkfähiges Wesen behandelt und kann sich vor allen Dingen selbst helfen.
Um Dir alles gut begucken zu können, machst Du am besten das schon angelegte Ardour-Projekt auf, und darin dann über Fenster > Mixer das Mischpult-Fenster.
Interessant für uns wären hier zwei Sektionen aus den Ardour-Innereien - denn Ardour ist da ganz ähnlich aufgebaut wie ein Studiomischpult:
die Eingangssektion mit dem Kanalzug und der Aufnahmespur
und die Sammelschiene ("Master"), die die Signale der einzelnen Aufnahmespuren sammelt und aus der man - normalerweise - den Export macht.
Beide müssen
miteinander und jeweils an den "Enden" mit ALSA bzw. der Audiokarte verbunden sein.
Und beide haben separate Pegelregler, die richtig stehen müssen.
Für mich sieht das so aus, daß bei Dir das Signal von der LP korrekt in der Aufnahmespur ankommt, denn die Pegelanzeige schlägt aus. Der eigentliche Eingang stimmt also schon mal. Ob es aufgenommen wird, kannst Du daran sehen, daß eine Amplitudenkurve im Spurenfenster erscheint. Wenn die da ist, klappt das schon mal. Dann wäre nur noch die Frage, was danach ardour-intern mit dem Signal passiert.
Ob die Verbindung zur Sammelschiene stimmt, kannst Du mit einem Blick ins JACK-Verbindungsfenster klären. Eigentlich zieht Ardour die "Strippen" automatisch, sobald man eine Spur anlegt - aber kontrollieren kannst Du es für alle Fälle doch mal.
Nur der Vollständigkeit halber: Spukt eine zusätzliche Abhör-Schiene ("Monitor Bus") mit rum? Ist ohne manuelles Zutun beim Projekt-Anlegen eher sehr unwahrscheinlich; aber ich wollte es immerhin erwähnt haben, weil das dann etwas komplizierter würde.
Wenn die Strippen richtig liegen, kämen wir zu dem, was durch die Strippen fließt: dem Signal.
Dafür verantwortlich ist erst mal der Pegelregler der Aufnahmespur. Der sollte auf 0 dB aufgezogen sein. Ach ja: Und die Spur sollte natürlich nicht stummgeschaltet sein 😉.
Wenn der Regler bei 0 dB ist, kannst Du mal testen, was eigentlich in dem Kanalzug passiert. Dazu gibt es unterhalb der Pegelanzeige im Mischpult einen Taster, mit dem Du den Abgreifpunkt der Pegelanzeige wechseln kannst:
in - pre - post - out - Benutzerdefiniert
. Normalerweise liegt er bei Stellung "Aufnahme" vor dem Pegelregler, man sieht also das "nackte" Eingangssignal. Man kann ihn aber auch hinter den Regler schalten oder ganz an den Ausgang der Spur, von dem aus das Signal zur Sammelschiene geht. (Die anderen Varianten kommen nach meiner Erinnerung erst ins Spiel, wenn man zusätzliche Effekte o.ä. einbaut, braucht uns also nicht zu interessieren.)
Wenn überall was ausschlägt, ist das für unsere Zwecke schon mal gut. Hier versickert audiomäßig also schon mal nichts.
Nun zur Sammelschiene: Ob bei ihr was ankommt, kannst Du feststellen, wenn Du auf Wiedergabe schaltest. Die Sammelschiene hat eine eigene Pegelanzeige: schlägt die synchron mit der Pegelanzeige der Aufnahmespur aus?
Wenn ja: gut.
Wenn nein: Die Sammelschiene hat (wie erwähnt) auch einen eigenen Pegelregler. Möglicherweise ist der zugedreht - warum auch immer. Wenn Du ihn auf 0 dB aufziehst, wäre das für unsere Zwecke auch schon mal hilfreich.
Wenn dann immer noch nichts aus der Sammelschiene rauskommt, kann man auch hier wieder mit unterschiedlichen Abgreif-Punkten für die Pegelanzeige nachgucken: Kommt ein Signal in die Schiene rein? Kommt es auch hinten wieder raus - und wenn nein, wo versackt es?
Der Export setzt (normalerweise) erst hier ein: beim Ausgangssignal der Sammelschiene. D.h., erst wenn davor alles richtig geschaltet und gepegelt ist, kann man hier was Hörbares exportieren. In diesem Fenster kannst Du für alle Fälle auch mal gucken, ob die Einstellungen im Bereich
Zeitspannen- und Kanaloptionen
stimmen. Näheres zum Export steht hier.
Alternativ kannst Du im Exportmenü-Fenster auch das Signal aus einzelnen Spuren exportieren, damit also die Sammelschiene umgehen. Oder Du exportierst den Inhalt einzelner Objekte (mit einem Rechtsklick auf selbige und ein, zwei weitere Schritte). Aber ich würde sagen, für diesen Fall ist der Export aus der Sammelschiene die "saubere" Lösung.
Michael