Erfahrungsbericht eines ahnungslosen Ubuntu-Users
Liebe Freunde,
bislang habe ich von diesem Forum nahezu ausschließlich profitiert, habe jederzeit schnelle und kompetente Hilfe bekommen und eine Reihe für mich unüberwindbarer Hindernisse bewältigt. Vielleicht kann ich mit diesem Erfahrungsbericht ein Feedback geben, das anderen Usern ein paar Fragen beantwortet. Bitte entschuldigt dabei, dass ich gegebenenfalls die Komponenten nicht richtig benenne. Ich arbeite mit einer spanischen Versión der Distribution.
Vor etwa 10 Tagen habe ich mich für eine Neuinstallation meines Betriebssystems entschieden, im wesentlichen aus dem Grund, dass Ubuntu ab Version 11.10 die Möglichkeit der Nutzung des Gnome 2.x Desktops abgeschafft hat. Viel wurde debatiert über solche wichtigen Entscheidungen und über die Tatsache, dass diese ohne die User getroffen werden. Das ist nicht Ziel dieses Beitrags. Ich habe nach einer Alternative gesucht und bei dieser Suche Unity, Gnome-Shell und Xfce eine Chance gegeben, bevor ich definitv zurück zu KDE gekommen bin. Ich arbeite derzeit auf meinem Produktiv-Rechner im Büro mit Kubuntu 11.10. Welche Eindrücke ich nach diesem Wechsel habe und was mir vorteilhaft erscheint, möchte ich hier kurz darstellen und hoffe damit jenen zu helfen, die im Forum immer noch die nicht zu beantwortende Frage stellen „Welche Distribution ist für mich die richtige?“.
Kompatibilität und Stabilität
Ich hatte früher schon einige Erfahrungen mit KDE gesammelt, als ich gerade erst die ersten Schritte in Linux gewagt habe. Damals hat mir KDE sehr gut gefallen, weil es ein sehr schönes Design hat, welches von Windows verschieden aber nicht radikal anders ist. Gleich sind mir allerdings einige Kompatibilitätsprobleme aufgefallen, die meine Hardware (Soundkarte, WLAN-Karte) betrafen. Diese konnte ich mit großer Unterstützung dieses Forums beheben, um sogleich auf neue Probleme zun stoßen. Es war nämlich die Zeit des KDE 4.0 und 4.1. Jeder Versuch, den Desktop anzupassen, endete in einem Crash. Inzwischen weiß ich, dass das nicht an KDE prinzipiell sondern an den Versionen lag, die wohl noch nicht final releases waren. Aber das wusste ich damals alles noch nicht, und da Ubuntu (mit Gnome 2.x) out of the box funktionierte, hatte ich meinen Produktivrechner 4 Jahre lang damit versehen, bis ich zu Unity „gezwungen“ wurde, mit welchem ich mich nicht anfreunden konnte.
Inzwischen kann ich bestätigen, dass die genannten KDE-Probleme behoben sind. Nach meinem clean install läuft Kubuntu schnell und zuverlässig. Sehen wir also mal, wie es mit der User-Freundlichkeit aussieht.
Desktopumgebung
In Sachen Desktopumgebung bin ich sehr froh über meine Entscheidung. KDE ist sehr schnell, intuitiv und hat nach wie vor ein sehr schönes Design. Inzwischen erscheint es mir fast nicht mehr radikal genug von Windows entfernt. Es ist ein klassischer Desktop mit Panel am unteren Rand, Launcher-Menü links unten und mit einem Arbeitsflächenumschalter, auf den ich nicht mehr verzichten möchte. Die voreingestellten Fenstereffekte sind Klasse. Ich habe nur die Würfelanimation beim Bewegen zwischen den Arbeitsflächen und den Magic-Lamp-Effect beim Minimieren hinzugefügt (letztere ist fast überflüssig, da ich bei 4 Arbeitsflächen, kaum noch ein Fenster minimiere). Wabbernde Fenster und Transparenzen beim Verschieben von Fenstern waren voreingestellt. Das Gute ist, dass man für diese Effekte keinen Compiz-Einstellungs-Manager installieren muss, der gerade Anfänger leicht überfodern kann. Außerdem crashte Unity stets beim Deaktivieren der Desktop-Wall, was die Würfelanimation unmöglich machte. Was die Fenster-Effekte betrifft, ist KDE einfacher und schöner als Unity.
Viel wesentlicher ist für mich jedoch der Zugriff auf die Arbeitsflächen, der in Unity erschwert wurde. In KDE habe ich den Umschalter im Panel, es werden die dort angeordneten Fenster in Miniatuir angezeigt und ich kann mit nur einem Mouse-Klick in jedes beliebige Fenster wechseln, wobei die Würfelanimation angezeigt wird. Schön!
Das Panel lässt sich intuitiv personalisieren. Starter lassen sich aus dem Launcher heraus zum Panel hinzufügen. Man muss sich allerdings daran gewöhnen, immer erst die Grafik-Elemente zu ent-blockieren. Blockierte Grafik-Elemente haben aber auch den Vorteil, dass man nicht zufällig Dinge tut, die man später bereut. Alles in allem ein Gewinn bezüglich Unity, obwohl es inzwischen auch gute Werkzeuge gibt, um den Unity-Launcher anzupassen.
Das Launcher-Menü ist klassich und nach Kategorien geordnet. Hier fand ich den Schritt, den Unity geht, am einschneidendsten. Der Weg zu den Programmen war sehr lang. Das KDE-Launcher-Menü gibt mir da meine gewöhnte User-Experience zurück.
Ach so, der Desktop-Hintergrund erlaubt die Konfiguration als Präsentation, also das Wechseln der Hintergrundbilder. Außerdem sollen sich für verschiedene Arbeitsfläche verschiedene Hindergrundbilder definieren lassen. Das habe ich aber noch nicht ausprobiert.
Programme der Distribution
Einer der wichtigsten Gründe für die Freude an Kubuntu ist die Auswahl der Programme der Distribution. Wie Ihr wisst, unterscheiden sich die Distributionen nicht nur durch ihr Graphical-User-Interface oder dadurch, dass sie mit dem Toolkit Qt oder mit dem GTK programmiert wurden. Viel wichtiger ist die Auswahl der Programme. So kommen zum Beispiel Xubuntu und Lubuntu mit den leichtesten bzw mit den ressourcenschonendsten aller Programme daher. Ubuntu legt – glaube ich – sehr viel Wert auf die regelmäßige Aktualisierung der beiteiligten Software. Das führt bei jeder Aktualisierung zu Veränderungen: Mal wird der Audioplayer Rythmbox durch Banshee ersetzt, dann wieder umgekeht, dann ersetzt F-Spot das vorausgegengene Bildbetrachtungsprogramm, GIMP ist zu schwer und fliegt raus und später ersetzt Shotwell das Programm F-Spot. Am schlimmsten war die Entscheidung beim Tausch von Thunderbird gegen Evolution, ohne ein Migrationswerkzeug anzubieten.
Natürlich kann man alle Programme, die man haben will, unabhängig von der Distribution, über das Repository installieren und muss auf nichts verzichten. Allerdings ist das so einfach nicht. Wer KDE-Programme nutzen möchte kann die in Ubuntu zwar installieren, muss aber jede Menge qt-Bibliotheken und Designunterschiede in Kauf nehmen. Schön ist deshalb, dass bei Kubuntu hervorragende und nutzerfreundliche Software gleich von Anfang an dabei ist und sich optisch und funktional in den Desktop integiert:
Allem voran Gwenview, das mich am meisten überrascht hat. Ich muss meine Bilder nicht irgenwohin importieren (also duplizieren), wie das bei F-Spot und Shotwell der Fall ist. Das Programm bietet leichte Navigation durch meine Bilder, so wie sie in der Dateistruktur vorliegen. Es sortiert sie mir nicht nach irgendwelchen Kriterien um. Anzeige und Präsentationen sind schön und leicht konfigurierbar. Gwenview erlaubt unter vielen anderen Funktionen das Anpassen der Bildgröße durch Veränderung der Auflösung und das Auschneiden der Bilder. Diese Funktion habe ich bei Shotwell vermisst. Durch die Installation der Kipi-Plugins lässt sich die Funktionalität erweitern und zum Beispiel Stapelverarbeitung ausführen (ausgesprochen leicht und intuitiv). Auch die gab es bei Shotwell nicht. Dafür musste das Paket Phatch installiert werden, welches aber unabhängig von Shotwell ausgeführt wurde und recht kompliziert zu bedienen war.
Das Programm Kontact ist ein hervorragender Ersatz für Evolution. Eigentlich hat es nur die Funktion, Programme für eMails (KMail), Kontakte, Kalender, RSS-Feeds-Reader, News-Reader, PostIt-Notizen, Aufgabenplaner usw. zu grupieren. Es ist leicht zu konfigurieren, aber die Voreinstellungen sind bereits ausgezeichnet. Der Kalender lässt sich, ebenso wie in Evolution, mit Online-Kalender-Funktionen für Smartphones (eCalendar von Google) synchronisieren. Die Konfiguration von KMail war sehr leicht. Für die Konfiguration eines IMAP-Accounts habe ich außer Userneme und Password nur den Eingangs und den Ausgangsserver angegeben. Viele Abfragen, die einem in Evolution des Leben erschweren, fielen weg. Klasse!
Der Chat-Client Kopete ist Epiphany sehr ähnlich. Ehrlich gesagt kann ich keine wesentlichen Unterschiede feststellen. Das schöne ist eben, dass diese Messenger in (K)Ubuntu viele verschiedene Protokolle benutzen, womit der Chat in nur einem Programm oder Client sowohl über GMail- als auch über Yahoo-, Hotmail oder sonstige Accounts möglich ist. Das Linux-Protokoll Jabber wird natürlich auch unterstützt, ist aber dasselbe, das von GMail oder Googlemail genutzt wird. Die Webcam wurde problemlos erkannt, allerdings ist wohl ein Video-Chat mit einem Yahoo-Account-User in Windows noch nicht möglich.
Amarok ist der Standard-Audioplayer unter Kubuntu. Ich hatte es schon angedeutet, unter Ubuntu wechseln diese sehr häufig, was mir nicht gefällt und weshalb ich eigentlich immer nur den VLC-Player genutzt habe. Amarok lässt mich einfach auf meine Dateistruktur zugreifen, wo die Musik zu finden ist, so wie ich sie angeordnet habe. Es gibt aber auch eine Anzeige nach Genre oder anderen TAGs der Musiktitel. Das schöne an Amarok ist, dass zum Titel die Cover, die Lyrics und Wikipedie-Informationen angezeigt werden. Das macht Spaß. Etwas schwer scheint das Programm aber zu sein. Es hat auf meinem 6 Jahre alten Desktop-PC im Büro ein paar Mal geruckelt.
Rekonq, wahrscheinlich Konquerer-Reloaded, ist der Standard-Web-Browser unter Kubuntu. Mozillas Firefox ist im Menü und wird beim ersten Anklicken installiert. Chromium kann ohne weiteres nachinstalliert werden. Gerade beim Aufrufen von WebPages, die mit CMS erstellt worden sind, gibt es manchmal Unterschiede zwischen den Browsern. Da läuft mal was nicht in Mozilla oder etwas anderes sieht besser in Chromium aus. Bislang habe ich nichts bemerkt, das im Rekonq nicht oder nicht richtig angezeigt wird. Ich benutze ihn aber weniger und ziehe Firefox wegen seiner AddOns vor. Allerdings ist Rekonq mein Default-Browser und öffnet die Seiten, die ich durch Doppelklick oder aus eMails heraus öffne. Dabei ist er viel schneller als Firefox.
Anstelle des Softwarecenters arbeitet KDE mit der Muon-Programmverwaltung. Dieses stürzt bei mir ausnahmslos direkt nach Programmstart ab. Auch nach einer Neuinstallation des Programms ändert sich das nicht. Dazu muss ich die Experten im Forum noch befragen. Ich ziehe aber die Muon Paket-Verwaltung vor, die bei KDE an die Stelle des Programms Synaptic rückt, welches leider nun auch nicht mehr Teil der Ubuntu-Distribution ist und nachgerüstet werden muss. Die Muon Paket-Verwaltung ist sehr komfortabel und intuitiv und lässt sich ähnlich wie Synaptic bedienen. Wer bestimte Pakete sucht. Ist hier an der richtigen Stelle. Auch findet man natürlich Metapakete zur Installation von Programmen.
Andere Programme
Nun zu einem Programm, das nicht Teil der Distribution ist, aber für KDE geschrieben worden ist. Ich meine den LaTeX-Editor Kile. Die Vorzüge von What you mean is what you get, von Tex und LaTeX werden andernorts sehr gut beschrieben. Ich bin ein großer Fan und bedauere, dass diese so wenig Verbreitung finden. Selbst Grafiker, Layouter und Drucksetzer kennen diese Drucksatzsysteme nicht immer und meistens wird davon ausgegangen, dass das etwas für Linux-Freaks ist. Kile ist – meiner Ansicht nach - einer der besten LaTeX-Editoren, da er ganz und gar in LaTeX arbeitet und auch scheinbar WYSIWYG-Oberflächen vermeidet. Darin unterscheidet er sich von Lyx, welches wie eine Zwischenform zu WYSIWYG-Textverarbeitungsprogrammen aussieht. Es ist sehr flexibel und so intuitiv, wie ein LaTeX-Editor sein kann. Im Repository gibt es jede Mene Pakete, die seine Funktionen erweitern. Ich empfehle die LaTeX-Distribution TexLive und für deutsche Texte KOMA-Script.
Folgende Progamme sind natürlich optional aber sehr nützlich. Ich wollte nicht auf sie verzichen und freue mich, dassich diesbezüglich keine Probleme in KDE hatte. DropBox integriert sich zwar in Dolphin nicht so gut wie in Nautilus, aber das einzige, auf was man deshalb verzichten muss, sind die Icons zur Sync-Statusangabe im Dateimanager. Die Synchrionisation läuft einwandfrei, das DropBox-Icon ist im Panel und zeigt dort auch den Sync-Status an. Das Kontext-Menü beinhaltet nicht nur im DropBox-Ordner die bekannten DropBox-Optionen wie z.B. die Ausgabe eine URL für Dateien im Public-Folder, hervorragend geeignet zum Verschicken großer Dateien. DropBox bietet 2GB Speicher kostenlos an. Lasst Euch von Freunden dazu einladen, dann bekommen diese pro gewonnenem User 250 MB geschenkt.
UbuntuOne ist überraschenderweise nicht Teil der Distribution ließ sich aber ebenfalls problemlos installieren. Dateien werden problemlos synchronisiert. Wie das mit den Kontaktdaten aus dem e-Mail-Adressbuch von Kontact gehen soll, weiss ich noch nicht. Das war unter Ubnuntu einfacher, da es das Plugin evolution-couchdb gab. Für Lesezeichen-Synchronisation hat Firefox inzwischen ein eigenes Sync-Tool. UbuntuOne erscheint im Launcher-Menü nicht aber im Panel. Eine Statusanzeige gibt es auch nicht. Schwach! Aber es bietet 5GB Speicher für kostenlose Nutzung an und hat ebenso wie DropBox ein übersichtliches Web-Interface.
Skype ist natürlich auch leicht zu installieren. Leider besteht hier ebenso wie in Ubuntu das Problem, dass die WebCam nicht erkannt wird. In Ubuntu hatte ich das mit folgendem Script aus dem Forum zum Starten von Skype
LD_PRELOAD=/usr/lib/libv4l/v4l1compat.so skype
prima gelöst. In Kubuntu hat das mit demselben Script leider nicht geklappt. Allerdings habe ich keine Zweifel, dass wir das in den nächsten Tagen gelöst kriegen. Es hatte bislang nur keine Priorität.
Fazit
Für alle, die nicht mit Unity oder GNOME-Shell herum experimentieren wollen und einen klassischen Desktop bevorzugen, der mehr kann als XFCE oder LXDE, ist KDE also Kubuntu genau das richtige. Es hat alle Vorzüge von Ubuntu (Linux for human beeings): Sicherheit, Kostenlosigkeit, Nachhaltigkeit, Vielseitigkeit, Community und Solidarität. Vielleicht ist es besonders interessant für Windows-Austeiger. Es hat eine ähnliche Oberfläche (in Australien ließen wurde Windows-Usern überzeugend vorgetäuscht KDE 4 wäre Windows 7) und macht den Wechsel einfacher. Aber auch für eingefleischte GNOME 2.x Fans und Unity-Skeptiker ist es sehr interessant. Vielen Dank an alle seine Entwickler!
Moderiert von HmpfCBR:
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