Ich stelle hier mal meinen Entwurf für die Mail an den Autor des PDF-Formulars online. Ich hänge ihn bewusst nicht als Datei an, sondern füge ihn hier ein, damit jeder möglichst einfach daraus zitieren bzw. Vorschläge dazu machen kann. Schließlich geht es um ein Thema mit größerer Reichweite.
"Sehr geehrter Herr ...,
gelegentlich unterstütze ich eine Gymnasiallehrerin bei ComputerFragen und ich schreibe Ihnen, weil im Zusammenhang mit den von Ihnen zur Verfügung gestellten Abitur-KorrekturBlättern Schwierigkeiten aufgetaucht sind. Konkret geht es hier um die PDF-Datei für „Moderne Fremdsprachen“. Sie weisen deutlich darauf hin, dass eine zuverlässige Berechnung nur bei der Verwendung des Acrobat Reader von Adobe gewährleistet ist. Ich kann nachvollziehen, dass Sie sich als Autor auf diese Weise absichern wollen. Tatsächlich lässt sich dieses Formular mit keinem anderen mir bekannten PDF-Programm ausfüllen. Für die breite Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer steht dieses Verfahren sicherlich nicht in Frage, weil sie Windows als BetriebsSystem nutzen.
Doch was ist, wenn man ein alternatives BetriebsSystem nutzt, in diesem Fall Linux mit einem Ubuntu-Derivat? Die Entwicklung des Adobe Reader für Linux wurde bereits vor einiger Zeit eingestellt. Ich muss also entweder eine veraltete Linux-Version des AR einsetzen und damit vermehrt SicherheitsRisiken in Kauf nehmen. Oder ich muss eine Möglichkeit wählen, den AR für Windows unter Linux lauffähig zu machen. Das ist im täglichen Gebrauch umständlich und mit erhöhtem Aufwand verbunden, also wenig benutzerfreundlich. Keine der Lösungen lässt sich so einfach implementieren wie der AR unter Windows zu installieren ist. Linux-Nutzer sind also gegenüber Windows-Nutzern benachteiligt.*
Möglicherweise waren Ihnen diese Zusammenhänge bislang nicht klar und Sie möchten das ändern. Dann können Sie jetzt zum letzten Absatz springen, wo ich auf Alternativen für ein solches PDF-Formular zu sprechen komme. Vielleicht sind Sie aber auch der Meinung, dass es sich bei den Nutzern von Nicht-Windows-Systemen um eine verschwindend geringe Minderheit handelt, die Sie nicht berücksichtigen können oder wollen. Dieser Standpunkt wäre für mich aus mehreren Gründen fragwürdig. Zunächst einmal würden Sie damit indirekt Druck auf die betreffenden Personen ausüben, beispielsweise auf ein - im Gegensatz zu Linux - kostenpflichtiges aber nicht zwangsläufig besseres Windows-System umzusteigen. Nach meinem Verständnis wirkt eine solche Haltung immer destruktiv. Es ist aber unpassend, sie an dieser Stelle zu diskutieren.
Im Kontext von Schule und der Frage nach der MedienKompetenz von Lehrern und Schülern finde ich einen weiteren GesichtsPunkt besonders wichtig. Kaum jemand wird noch bestreiten, dass es bei MedienKompetenz auch um grundlegende Themen der Informatik gehen muss. Spätestens seit den Snowden-Enthüllungen ist klar, dass dazu das Thema Sicherheit gehört. Die Bedeutung dieses Bereichs der Informatik lässt sich nur dann annähernd erfassen, wenn ich den Unterschied zwischen Open Source und Closed Source Software verstanden habe. Was dieses SchlüsselVerständnis angeht, hapert es aber bei den meisten Gymnasiasten bis heute gewaltig. Das sehe ich persönlich an „meinen drei Großen“, die alle in den letzten Jahren Abitur gemacht haben und für die dieses Verständnis bis heute ein böhmisches Dorf geblieben ist. Der Einsatz von Open Source Software, also auch von Linux, ist für dieses Verständnis ein Dreh- und AngelPunkt. Kein InformatikStudent kommt an diesem Thema vorbei. Das gleiche sollte bereits für Schüler gelten, für Gymnasiasten zumindest. Auf einen knappen Nenner gebracht wäre es kontraproduktiv, die Nutzer von Linux an Schulen zu diskrimieren, wenn es darum geht, MedienKompetenz zu fördern.
Es gibt aber noch ein drittes gewichtiges Argument für den Einsatz von Open Source Software an Schulen: das Einsparen von Kosten. Nicht jede Open Source Software ist zwangsläufig kostenlos und nicht jede kostenlose Software ist automatisch Open Source. Doch allein die Einrichtung eines Computer-Netzwerks an einer Schule auf der Basis von Windows schlägt mit wesentlich höheren Ausgaben zu Buche als die Installation eines Linux-Netzwerks. Entsprechendes gilt für die Programme, die anschließend auf diesem System laufen. Diese Ressource liegt an deutschen Schulen bis heute fast vollständig brach. An anderen Stellen ist jedoch immer wieder beschrieben worden, wie sie sich erfolgreich nutzen lässt, und ich möchte auch deshalb nicht näher darauf eingehen.
Ist es mir gelungen, Sie davon zu überzeugen, dass es sinnvoll sein könnte, Linux-Nutzer an den Schulen ins Boot zu holen und nach einer Alternative für das Format der KorrekturBlätter Ausschau zu halten? Ich will Ihnen nichts vormachen; ich bin kein Informatiker und auch kein Hacker, sondern lediglich ein Endfünfziger, der sich für Computer und für gesellschaftliche Fragen interessiert. Allein deswegen kann ich Ihnen kein fertiges Rezept anbieten. Doch bereits ein einfaches TabellenKalkulationsProgramm müsste ausreichende Optionen bieten, mit denen sich Zellen, Spalten und Formeln schützen lassen. Ein anderer Weg wäre die Einrichtung eines Web-Formulars. Ohne Unterstützung von Außen wird sich eine alternative Lösung vielleicht nicht umsetzen lassen. Auch ich hole mir immer wieder Hilfe in einschlägigen Foren. Den von mir eröffneten Thread zu diesem Thema können Sie hier verfolgen: https://forum.ubuntuusers.de/topic/offizielle-notenberechnungs-pdf-laeuft-nicht-u/
Mit freundlichen Grüßen"
Mehr Augen sehen mehr und das Ganze ist mehr als die Summe der Teile. Also fühlt euch frei, den Entwurf zu kritisieren, zu korrigieren und zu ergänzen.
Edit Mail-Text: * Dabei steht es im Widerspruch zum ursprünglichen Sinn und Zweck einer PDF-Datei, deren Nutzung auf den Adobe Reader einzuschränken, weil das Portable Document Format (PDF) gezielt als plattformunabhängiges Format entwickelt wurde (s. Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Portable_Document_Format).