Ein Unity Bashing Versuch.
Grundsätzlich gilt für mich, dass ich mich schon sehr auf Gnome3 gefreut habe. Bei meinem Dualboot System mit XP und Linux war Linux weit besser. Die Einstellmöglichkeiten waren genial. Mausgesten, Arbeitsflächen, alles top. Nur etwas vertaubt hat es ausgesehen, seit ich Windows 7 gesehen habe. Und ein witziges Gnome3 Vorstellungsvideo auf der Gnome Homepage, gleich als erstes und so in etwa: "Gnome 3 macht arbeiten mit Fenstern leichter! Einfach nach oben ziehen um Fenster zu maximieren, oder an den Rand um Fenster links oder Rechts anzuordnen." Die machen Werbung mit einem Win7 Feature und nicht mit der Shell? Völlig schamlos? lol
Dann haben sich Gnome und Ubuntu getrennt. Die völlig neue Desktop Experience habe ich jetzt wieder nicht. Gnome 3 "break my system". Ich kann es also noch nicht testen ohne auf ein anderes Linux zu wechseln?
Also habe ich Unity angetestet und siehe da: Ich bin die Unity Zielgruppe. So weit, so gut.
Also vergleiche ich einmal Windows 7 mit Unity und auch ein bisschen Gnome 3. Es geht mir hier nicht um Dateisysteme oder Sicherheit und was alles unter der Haube unterschiedlich ist, sondern ausschließlich um die Usability. Was ist einfacher, schöner, praktischer.
So weit ich das von Gnome 3 sagen kann, finde ich hier sehr genial, dass man mehrere Programme aus der Shell einfach auf verschiedene Arbeitsflächen ziehen kann. Mir gefiel zwar meine Desktoptafel mit 2 mal 2 Arbeitsflächen und ich mag auch getrennte Prozesse. Ich meine, wenn ich die Arbeitsfläche wechseln möchte, dann nur das und nicht das Startmenü vor der Nase. Wenn ich Programme starte, dann möchte ich normalerweise nur Starten, und nicht die Arbeitsflächen vor der Nase. Aber für die Möglichkeit Programme auf die Arbeitsflächen zu ziehen, verzichte ich sehr gerne auf meine alten Vorlieben.
Back to Unity: Sobald ich hier die Expo aktiviere, wird mir der Launcher (das Dock links) eingeblendet. Ich kann ihn aber nicht nutzen. Gut, ich kann schon Programme von da aus starten, aber konfortabel geht das nicht gerade. Zuerst muss ich eine Arbeitsfläche wählen, dann vom Launcher aus Starten. Das Menü (die Lense) funktioniert mal nicht.
Die Gründe hierfür sind wohl, dass man versucht, auf kleinen Bildschirmen gut auszukommen. Ich habe aber einen Desktop, bald einen breiten Bildschirm, also naja. Diese "wir möchten auf kleinen Bildschirmen auskommen"-Einstellung dürfte, meiner Meinung nach, der Grund für die Trennung von Gnome gewesen sein. Denn viel mehr Unterschied, als das trennen von Arbeitsflächenverwaltung und Starter, fällt mir bisher nicht auf.
Doch! Da ist noch ein Unterschied: Man kann, wenn man eine Nachricht bekommt und diese eingeblendet wird, gleich Antworten. Das ist auch genial.
Was passiert, wenn in Unity eine Nachricht eingeblendet wird? Ich kann sie mir anschauen, aber nicht darauf klicken um zum Beispiel, wenn es sich um eine Twitter Nachricht handelt, gleich zur Webseite zu gehen. Schade.
Was also macht Unity nun so toll? Vor allem, was soll einen Windows Nutzer dazu bewegen, auf Unity umzusteigen. Nehmen wir mich. Ich mache gerne Musik am PC. Ubuntu Studio ist wirklich kein Ersatz für etwa FL Studio, geschweige den Ableton. Das soll jetzt keine Werbung sein, ich kenne nur die drei. Wird meine tolle Soundkarte von Ubuntu erkannt? Nee. Kann ich wenigstens spielen? Auch nicht.
Aber was bleibt mir dann noch?
Ich kann im Internet surfen, meine Büroarbeiten erledigen, Musik hören, Filme schauen (die Onboard Soundkarte funktioniert ja, zum Glück), Chatten, Mails senden und empfangen, kurz: Eigentlich eh alles, außer mein wichtigste Hobby, Musik machen oder halt mein Lieblingsspiel spielen. So weit so gut. Es dürfte genug Anwender geben, die ohne Spiel und Musikproduktion auskommen.
Also, der neue PC hat Windows 7 drauf. Der Anwender möchte Ubuntu testen. Was bekommt er? Eine schlechtere Windows 7 Kopie.
Was?! Nur eine schlechte Windows 7 Kopie??? Ja genau. Hier erkläre ich warum:
Unity spart Bildschirmplatz durch das Globalmenü. Endlich, würde ich sagen. Aber sehen wir uns diese Platzersparnis mal genauer an. Das obere Panel geht nicht ausblenden. Die Taskleiste von Windows 7 schon. Wenn ich diese also ausblende und die Menüleiste wieder dazuzähle, ist die Ersparnis null.
Genial bei Unity: Das maximierte Fenster hat auch keine Titelleiste mehr, da diese mit dem Globalmenü verschmilzt. Jetzt habe ich eine Zeile gewonnen. Das ist schon mal gut.
Aber hier endet schon die Liste der Vorteile von Unity gegenüber Windows 7. Denn ansonsten, ist Unity mit einem Panel und einem Dock nichts anderes als die Taskleiste von Windows 7. Das Startmenü halten wir mal außen vor.
Taskleiste von Windows 7: Sie sieht sehr gut aus. Man kann Programme hier einfach anpinnen. Sie werden einfach eingerahmt, wenn sie gestartet sind. Sieht gut aus und ist auch übersichtlich. Bei MouseOver bekomme ich die Vorschaubilder. Zeige ich mit der Maus auf eines, Sehe ich groß am Bildschirm das Fenster. Ich kann auch gleich im Vorschaubild zum Beispiel mein Musikprogramm steuern. Klicke ich mir der rechten Maustaste auf einen Task, kann ich hier gleich die Jumplisten einstellen und, denke ich, auch gleich zuletzt verwendetete Dokumente sehen. Alles Easy. Notification und Datum habe ich auch in dieser Leiste. Und ich schätze, ich kann auch von hier aus Fenster schließen. Abmelden und Status setzten, kann ich wohl nur im Startmenü bzw. im Chatprogramm. Tja, was solls.
Jetzt Unity: Das obere Panel kann nicht ausgeblendet werden. Ich habe ein Globalmenü, was mir gefällt, Dafür sind die Tasks und häufig genutzte Programme in den Launcher ausgelagert. Da das Globalmenü so viel Platz braucht, ist das wohl nicht anders möglich. Grundsätzlich begrüße ich, dass der Launcher links ist, da ja Bildschirme immer breiter werden, den kann ich zum Glück ausblenden, ansonsten wäre es nicht so hübsch für mich.
Der Launcher ist also die Taskleiste. Die Jumplisten heißen hier "Quicklists". Selbes Feature, sehr praktisch, aber versuch mal, so eine Quicklist zu erstellen! Da muss man schon im Internet stöbern oder sich Starter mit einer solchen Liste anschauen, um im Texteditor die benötigten Zeilen hinzuzufügen. Auch hier sind die öft benötigten Programme gleichzeitig die Platzhalter für die Tasks oder anders, Starter und Fensterwähler sind verschmolzen. Wenn ich hier nun die Fenster einer Gruppe sehen möchte, habe ich (per default) keine Vorschaubilder, sondern den Skale Mode, welchen ich auch sehr mag, aber jetzt noch nicht viel besser ist als die Windows 7 Lösung, aber hübscher.
Trotzdem bleibt: Usability: Windows 7 ein Punkt, Unity dank komplizierter Jumplistenerstellung Null Punkte.
Das Startmenü
Beginnen wir mit Gnome 3: Ich öffne die Shell, ziehe Programme auf die diversen Arbeitsflächen. Gebe bei bedarf weitere Arbeitsflächen dazu bzw. habe immer eine leere zusätzliche Arbeitsfläche. Sehr praktisch. Allerdings sehe ich alle installierten Programme und muss erst Filtern, um die Auswahl einzuschränken.
Windows 7: Das Startmenü sieht auf den ersten Blick nicht viel anders aus, als bei XP oder Vista. Aber das täuscht. Hier kann ich zusätzlich zu den Programmen auf der Taskleiste, weitere anpinnen. Diese Programme zeigen bei MouseOver gleich die zuletzt verwendetet Dokumente, und zwar nur die zum Programm gehörenden und nicht alle. Wahrscheinlich können sogar hier Jumplisten erstellt werden, aber das weiß ich jetzt nicht. Für alle nicht angepinnten Programme muss ich auf Alle Anwendungen (oder so) klicken und erhalte die alte, unübersichtlich nach Firmennamen geordnete Liste als Menüs mit Untermenüs. Aber ich kann, wenn ich Lust dazu habe, einfach im Dateimanager diese Liste auf meine Bedürfnisse anpassen, sodass ein Menü bleibt, dass einem alten Gnome2 Menü um nichts nachsteht.
Dieses Startmenü ist top. Gnome drei hat nur bessere Integration von Arbeitsflächen.
Zuletzt Unity: Hier wird meiner Meinung nach das Pferd von Hinten aufgezäumt. Man denke, niemand möchte bei einem Klick auf das Programmsymbol als erstes die Einstellungen starten, und einen Rechtsklick brauchen, um es zu starten. Genau so kommt mir aber der Unity Launcher vor.
Ich konfiguriere nicht täglich meinen Launcher. Es ist mir also ziemlich egal, dass ich einfach die Reihenfolge der Starter verändern kann. Oder dass ich vom Menü (der Lense bzw. Dash) Programme auf den Launcher ziehen kann, damit diese dort bleiben, aber nicht gleich starten. Auch geht das immer nur mit einem. Also Lense öffnen, Programm anklicken, es startet und die Dash wird geschlossen. Na schön.
Lense öffnen, Programm aus der Dash auf den Launcher ziehen, die Dash wird geschlossen, das Programm nicht gestartet. Also zweiter klick um es zu starten, ein weiterer um vorher die Arbeitsfläche auzuwählen. Oder starten, Expo aktivieren und danach die offenen Fenster verteilen, was auch nicht alzu konfortabel geht, da immer wieder, bei großen Fenstern, ein Teil in einen andere Arbeitsfläche schaut. (eine andere Geschichte, passend zum Thema: Wenn von der unteren Arbeitsfläche ein Fenster unten hinausragt, kommt es bei der oberen wieder herein. Die Arbeitsfläche aber auf den selben weg wechseln geht nicht.)
Es sollte echt funktionieren, dass ich mehrere Programme aus der Dash auf den Launcher ziehen kann, und die Dash dabei offen bleibt, bis ich einfach auf ein Programm in der Dash oder im Laucher klicke, abgesehen davon, dass ich auch gerne gleich auf verschiedene Arbeitsflächen ziehen möchte. Und diese Programme sollten dann auch nicht im Launcher angepinnt sein. Wie gesagt: Im täglichen gebrauch starte und schließe ich Programme und pinne diese nicht im Launcher an. Da reicht es mir, sie mit Rechtsklick anzupinnen.
Aber es geht ja eigentlich um das Startmenü. Die Apps-Lense zeigt mir Downloadvorschläge. Das ist ja nett. Aber ich habe ein Icontheme, die Downloadvorschläge passen da meistens nicht dazu. Sie sind schlicht häßlich und nebenbei auch noch völlig unnötig. Wenn ich ein Programm nicht habe, kann ich immer noch das Softwarecenter befragen.
Dazu kommt, dass in der "Installiert" Sektion alle Programme angezeigt werden. Auch hier muss ich, wie bei Gnome 3, erst einmal Filtern, über ein Menü. Wenn ich gleich die Kategorien angezeigt bekäme, hätte ich auch mit einem zusätzlichen Klick mein gewünschtes Programm, nur halt übersichtlicher. Dazu kommt, dass immer alle angezeigt werden. Sämtliche Systemeinstellungen und sogar manche doppelt, etwa Evolution. Das Resultat sind etwa 100 Programme am Bildschirm. Auch hier schafft nur der Texteditor abhilfe.
Natürlich darf man hier nicht vergessen, dass viele, teilweise sehr gute, Lenses nachgereicht werden. Dann wird dieses Konzept besser sein, als das jetzige Windows 7 Startmenü. Aber ob jemals diese Funktionalität, wie in Windows 7, bezüglich der zuletzt verwendeten Dokumente, kommen wird, bleibt abzuwarten.
Daher: Gnome 1 Punkt für das Starten von Programmen auf verschiedene Arbeitsflächen, Windows 7 ein Punkt für die zuletzt verwendeten Dokumente, Unity einen Punkt für noch nicht veröffentlichte Dokumente ABER einen Punkt Abzug dafür, dass es praktischer ist, den Launcher zu konfigurieren als Programme zu starten.
Zählt man alles zusammen, bleibt, dass ich Gnome 3 natürlich nicht testen konnte, es aber etwas durchdachter erscheint als Unity und auch einen großen Unterschied zu Windows 7 darstellt, Unity aber nur ein schlechteres Windows 7 ist, dass in Zukunft tolle Lenses bekommt. Diese werden aber für alle, die auf das eine oder andere Windowsprogramm nicht verzichten können (sei es jetzt wegen der Spiele oder aber auch bestimmten Büroanwendungen) nicht genug Gründe liefern, auf Ubuntu umzusteigen.
Was passiert also, wenn ein Windows 7 Nutzer sich einmal Unity ansieht? Er sieht das Globalmenü, und statt einer Taskleiste, zwei, welche das selbe können, aber nicht so einfach zu konfigurieren sind. Das Startmenü hat vor und Nachteile. Da kann man genauso gut bei Windows bleiben. Dort funktioniert alles. Und Tschüss!
Warum man sich entschieden hat, nicht Gnome 3 gemeinsam zu entwickeln, ist mir rätzelhaft. Warum man dem Konfigurieren des Lauchers einen höheren Stellenwert zuschreibt, als ein konfortables Starten von Programmen ist besonders konfus. Und das ist auch DER Hauptgrund, warum ich momentan echt auf Gnome 3 wechseln möchte. Wenn sie das aber ändern, bleibt kaum noch Unterschied zwischen Gnome 3 und Unity. Dann erhält man zwei Distributionen, die sich höchstens vom Globalmenü unterscheiden. Der Vorteil des einen, ist der Nachteil des anderen und umgekehrt. Zwei Distributionen mit guten Ansätzen, die, wenn man sie verbessert eher aufeinander zugehen.
Bei Gnome kann man sagen: "Wow, das ist komplett anders als Windows." Und das, wo man doch eigentlich glaubt, dass man kaum Unterschiede machen kann, da es kaum Spielraum dafür gibt, Fenster und Desktop konfortabel zu bedienen, und gleichzeitig vollig andere Wege zu gehen. Unity geht leider kaum mehr einen anderen Weg als Windows. Es sieht nur ein wenig anders aus und bekommt tolle Lenses.